WANTED: Eine actionreiche Comicverfilmung auf höchstem Niveau. Der Parkour-Profi Andreas Kalteis über die Kunst der effizienten Fortbewegung und die Realität beim Dreh von Action-Filmen.
Der russische Regisseur Timur Bekmambetov gilt als Visionär des Action-Kinos, der versucht mit spektakulären Szenen die Zuschauer auf eine gemeinsame Reise mit den Filmfiguren zu nehmen. Um dies zu ermöglichen, entwickelt Bekmambetov eine Mixtur aus außergewöhnlichen Tricks und realen Stunts. Parkour spielt dabei eine wichtige Rolle: Bei Verfolgungsjagden durch urbanes Gebiet ist der kürzeste Weg der beste, um dem Verfolgern zu entkommen. Bei Parkour geht es genau darum, einen möglichst kurzen Weg zu nehmen und dabei alle Hindernisse elegant zu überwinden. Um solch spektakuläre Szenen zu drehen, braucht es besonders begabte Stuntmen, die meist selbst über viele Jahre Parkour trainiert haben. Andreas Kalteis zählt zu den wenigen Profis, die weltweit arbeiten und mit ihren Fähigkeiten diversen Filmprojekten einen ganz besonderen Reiz verleihen. Andreas Kalteis stand uns für ein Interview zur Verfügung, in dem er über die Ursprünge des Parkour spricht und Tipps für Anfänger gibt.
Kannst Du kurz beschreiben, worum es bei Parkour eigentlich geht?
Parkour ist die Kunst der effizienten Fortbewegung. Der Traceur, also Parkour_Läufer, bewegt sich durch jede mögliche Umgebung auf dem von ihm ausgewählten Pfad, und überwindet dabei effizient alle Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellen.
Wann wurde Parkour erfunden?
Parkour hat seine Wurzeln im Indochinakrieg, der 1946 bis 1954 stattfand. Ihren Namen erhielt die Kunst der Fortbewegung vor ca. 20 Jahren in Frankreich.
Wie bist Du auf Parkour gekommen? Ich sah 2001 eine Dokumentation über die französische Gruppe „Yamakasi“ und war vom ersten Moment an gefesselt.
Wie lange muss man trainieren, um diese eleganten Manöver zu beherrschen?
Das ist komplett individuell. Ein olympischer Turner wird wohl weniger Zeit brauchen als ein unsportlicher Computerspieler – aber das ist auch das tolle an Parkour. Es ist nicht kompetetiv, sondern der individuelle Fortschritt des Einzelnen steht im Vordergrund.
Das klingt sehr schwierig und sieht ziemlich halsbrecherisch aus. Hast Du dich schon oft verletzt?
Nur einmal, eine leichte Schulterverletzung. Schwierig ist relativ: Komplexe Parkour-Manöver wie angelaufene Präzisionssprünge auf dünne Stangen sind selbstverständlich sehr schwierig, aber in Parkour wie in jeder anderen Sportart, fällt man nicht als Meister vom Himmel sondern fängt klein und leicht an und arbeitet sich hoch. Es steckt außergewöhnlich viel Training dahinter. Jeder kann mal eben Rollschuhe anziehen oder ein Snowboard und innerhalb von einigen Tagen die grundlegende Technik lernen. In Parkour bedarf es schon mehr Training und Erfahrung, um sich tatsächlich effizient und kontrolliert bewegen zu können.
Worauf sollten Anfänger achten, um Verletzungen zu vermeiden?
Man sollte sich im Internet oder bei Workshops und Kursen gut informieren über die Grundlagen von Parkour Training. Außerdem sollte man sich nicht von Videos täuschen lassen: Nur weil da ein augenscheinlich „normaler“ Typ - ohne dicke Muskeln und teure Schuhe - große Sprünge macht, auf hohe Hindernisse, oder tief hinunter springt, heißt das noch lange nicht, dass man das auch sofort nachmachen kann. Hinter diesen Videos stecken viele Jahre Training, Erfahrung und oft wird auch noch bei der Aufnahme getrickst. Finger weg von Hausdächern und hohen Mauern – Parkour ist nicht die Kunst des Bewegens auf Höhe! Es gibt genug Hindernisse am Boden, wo man kein Risiko eingehen muss.
Gibt es besonders gute Möglichkeiten, um zu üben? Wo hast Du angefangen?
Ich habe den harten Weg durchgemacht. Damals gab es keine Kurse, Workshops, keine Trainer und keine Internet-Anleitungen. Ich gehöre zu der zweiten Generation und musste mir alles selbst beibringen. Dieser Prozess dauert länger und ist schwieriger. Dafür versteht man danach besser, was Bewegung ist und wie der Körper funktioniert. Allerdings hat nicht jeder den Biss für den harten Weg. Heutzutage gibt es Workshops im großen und kleinen Rahmen. Es gibt in fast jeder Stadt Parkour-Gruppen die regelmäßig zusammen trainieren. Dort können sich interessierte Neulinge meist anschließen. Natürlich gibt es auch viele Anleitungen im Internet. Zusätzlich zum Parkour Training rate ich auch zu einer weiteren Aktivität wie zum Beispiel Turnen, Capoeira, oder Breakdance. Das ergänzt das Training und schult Kraft, Koordination und Kreativität zusätzlich.
Wenn man sich derart durch öffentliche Räume bewegt, besteht doch sicher die Gefahr, dass man fremdes Eigentum beschädigt. Kommt die Haftpflichtversicherung für solche Schäden auf?
Das weiß ich nicht, da ich noch nie etwas beschädigt habe und das auch nicht vorhabe. Das hat immer etwas mit Verständnis zu tun. Parkour lehrt effizient, sicher und kontrolliert zu sein. Versteht man das, wird man nicht nach dem Motto „Wird schon gehen“ auf den nächsten Maschendrahtzaun springen, der daraufhin verbiegt und kaputt geht. Man wird sich anstatt dessen überlegen: Hält das Hindernis der Belastung stand? Tut man das nicht, sondern springt wild drauf los, hat das mit Parkour wenig zu tun, und ich würde es eher als gedankenlos bezeichnen.
Parkour wird immer wieder in Action-Filmen angewendet um spektakuläre Verfolgungsjagden zu zeigen. Hast Du selbst schon für einen Film Stunts gemacht?
Natürlich, dies ist mein Beruf. Ich bin professioneller Parkour und Freerunning, also akrobatischer Hindernislauf Performer und leite die größte Parkour und Freerunning Künstlervermittlung der Welt. Ich und meine Künstler arbeiten regelmäßig in allen Sorten von Musikvideos, Werbespots, TV Produktionen und Kinofilmen mit – sowohl als Stunt-Doubles als auch als Berater oder Darsteller.
Fällt es dir leicht, nach einem Drehbuch oder nach Anweisungen eines Regisseurs zu arbeiten, oder ist die uneingeschränkte Kreativität beim Parkour Dir wichtiger?
Wenn ich vor einer Kamera stehe, dann bin ich ein Profi, ein Stuntman. Da ist nichts mit effizienter Hindernisüberwindung und Philosophie fürs Leben. Man wird dafür bezahlt, das zu tun, was der Regisseur möchte. Man kann das zwar nur tun, weil man Parkour-trainiert ist, aber mit Parkour an sich hat das dann nicht mehr soviel zu tun: 20 Mal denselben Sprung drehen und dabei immer etwas abändern - die Hand höher, die Beine mehr anwinkeln - bis es der Regie gefällt. Wenn man beim Film arbeiten möchte muss man natürlich fähig sein, die Struktur des Drehbuchs und die Wünsche der Regie entsprechend umzusetzen, das macht die Professionalität aus. Wenn ich jedoch draußen bin und trainiere oder mich bewege, bin ich mein eigener Regisseur, und meine Philosophie leitet mich. Das ist dann Parkour.
Auch in WANTED gibt es einige coole Sequenzen mit Parkour-Stunts: Bist Du neugierig auf den Film? Selbstverständlich, ich bin immer begeistert wenn ich meine Kunst auf der Leinwand sehe und freue mich auch für die Leute die das performt haben, dass sie auch die Möglichkeit hatten so eine tolle Erfahrung zu machen.
An welchen Projekten arbeitest Du aktuell?
Ich habe eben Dreharbeiten abgeschlossen in Spanien und China für eine große Automarke, als nächstes geht’s nach Wien zu einem Workshop für einen Computerspielehersteller, dann weiter nach Bangkok für einen Werbespot und dann zurück nach Österreich wegen einer Fernsehserie. Außerdem baue ich mit den bekanntesten Traceuren der Szene ein Online-Portal auf, um allen Parkour-Interessierten die Möglichkeit zu geben, alle nötigen Infos zu und um Parkour an Platz 1 zu finden. News dazu findet man in wenigen Monaten auf meiner Website, www.andreas-kalteis.com.
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